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Schwerpunkt-Exkursion nach Den Haag: Internationales Recht - Von der Idee bis zur Durchsetzung

„Dem Völkerrecht mangelt es an Durchsetzungsmechanismen, sodass es eigentlich gar kein richtiges Recht ist“. Diese These ist vermutlich so alt wie das Völkerrecht selbst, und doch in vielerlei Hinsicht eindrucksvoll widerlegt worden. Den Realität und Institution gewordenen Gegenbeweisen zu dieser These und weiteren spannenden Themen gingen Studierende des Schwerpunktes 7, wissenschaftliche Beschäftigte sowie Teilnehmerinnen und Teilnehmer des diesjährigen Telders Moot Court auf ihrer Exkursion nach Den Haag vom 29.-30. Januar 2024 nach. Um den Studierenden praktische Eindrücke jenseits des Hörsaals zu vermitteln, unternahm der Schwerpunkt schon zum zweiten Mal im WS23/24 eine von der Juniorprofessur für Öffentliches Recht (Jun.-Prof. Dr. Johann Justus Vasel) organisierte völkerrechtliche Exkursion.

Kurz nach der Ankunft in Den Haag waren die Exkursionsteilnehmer bei einer völkerrechtlichen Institution zu Gast, deren bloße Existenz die Qualität vieler völkerrechtlicher Normen als genuines hard law unterstreicht: Dem Internationalen Strafgerichtshof (IStGH/ICC), der insbesondere durch den im letzten Jahr erlassenen Haftbefehl gegen den Präsidenten der Russischen Föderation sowie Ermittlungen zu Kriegsverbrechen im Angriffskrieg gegen die Ukraine auch außerhalb von juristischen Sphären diskutiert wurde. Vor Ort trafen die Teilnehmer Prof. Dr. Bertram Schmitt, Richter am IStGH, und durften sich einen Eindruck vom hochmodernen Gerichtssaal machen, in dem u.a. Kriegsverbrechern aus aller Welt der Prozess gemacht wird. Im anschließenden persönlichen Gespräch bekamen die Teilnehmer zudem die Möglichkeit, viele Fragen in Bezug auf das Völkerstrafrecht und die Rolle als Richter am IStGH zu stellen.

Im Anschluss an den IStGH ging es weiter zu den Kosovo Specialist Chambers. Aus Anlass des Kosovokrieges und den dort verübten völkerrechtlichen Verbrechen wurde dieses hybride Tribunal gegründet. Bis heute tagt das Tribunal, um diese Geschehnisse aufzuarbeiten und Rechtsfrieden herzustellen. Im Gespräch mit einer Vertreterin des Tribunals lernten die Teilnehmer mehr über die rechtlichen Grundlagen der Gründung eines solchen Tribunals, seine Arbeitsweise, aktuelle Fälle und die Rolle des Anklägers. Im erkenntnisreichen Austausch wurde vor allem die Legitimität und Entstehung des Tribunals diskutiert.

Der zweite Tag begann mit einem Besuch des Internationalen Residualmechanismus für die Ad-hoc-Strafgerichtshöfe. Hier stehen die noch verbliebenen „Restpflichten“ der mittlerweile abgewickelten Straftribunale für Ruanda (ICTR) und das ehemalige Jugoslawien (ICTY) thematisch im Mittelpunkt. Von einem Vertreter aus dem Büro des Anklägers erhielten die Teilnehmer detailreiche Einblicke in die Aufklärung und Verfolgung von Kriegsverbrechen. Anschaulich wurde anhand von verhandelten Fällen gezeigt, wie durch Augenzeugenberichte, Bilder, Video- und Tonaufnahmen und Ermittlungen vor Ort später aufgabengerecht angeklagt und auch verurteilt werden konnte. Besonders beeindruckend war dabei das aufgezeigte Zusammenspiel der akribischen Ermittlung einzelner Fakten und dem großen Bild der sich ergebenden Zusammenhänge, welche die Teams der Anklage im Rahmen derartiger Prozesse aufbereiten.

Vom Residualmechanismus ging es für die Teilnehmer zu einem Gespräch in die deutsche Botschaft. Dort erhielten sie exklusive Eindrücke der Arbeitsweise eines Rechtsberaters an der deutschen Botschaft und von der Rolle der Ständigen Vertretung bei der Organisation für das Verbot chemischer Waffen (OVCW). Teil des Gespräches waren zum einen die Entwicklung der OVCW und deren Bedeutung im aktuellen globalen Geschehen. Den Schwerpunkt der offenen Unterredung bildeten jedoch die vorläufigen Anordnungen des Internationalen Gerichtshofes, welche kurz zuvor im Verfahren Südafrika gegen Israel ergangen waren. Dabei diskutierten die Teilnehmer die vielfachen Interpretationsmöglichkeiten als auch die Entscheidungsfindung und die möglichen Auswirkungen. Auf diese Weise erhielten die Teilnehmer nicht nur einen praktischen Einblick in die völkerrechtlichen Facetten der Arbeit an der Deutschen Botschaft in Den Haag im Kontext des aktuellen Tagesgeschehens, sondern waren auch gleichzeitig vorbereitet für den an- und abschließenden Besuch.

In der letzten Station waren die Teilnehmer für eine Führung und ein persönliches Gespräch mit Richter Prof. Dr. Georg Nolte zu Gast beim Internationalen Gerichtshof (IGH) im berühmten, 1913 errichteten Friedenspalast. Nach einer eindrucksvollen und mit historischen Einsichten angereicherten Führung durch das Gebäude und den Gerichtssaal trafen die Teilnehmer IGH-Richter Nolte. In dem folgenden spannenden Gespräch wurden insbesondere die Rolle des IGH, die Trennung zwischen Politik und Recht und die Strukturierung internationaler Beziehungen qua Recht thematisiert. Die grundlegenden und theoretischen Erwägungen wurden anhand von verschiedenen abgeschlossenen internationalen Rechtssachen von Richter Nolte verdeutlicht, sodass interessierte Folgefragen nicht ausblieben.

Zusammenfassend vermittelte die diesjährige Exkursion nach Den Haag eine breite Perspektive – in institutioneller wie auch akademischer Hinsicht. Großer Dank gilt abschließend allen Referenten, Gastgebern und Unterstützern der Fahrt, welche die völkerrechtliche Praxisbildung erst möglich gemacht haben.

Kategorie/n: Studium, Vasel, Startseitenbericht
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