3. Gesprächskreis Kartellrecht
3. Düsseldorfer Gesprächskreis Kartellrecht (25.11.2009)
zum Thema: "Die 'wirtschaftliche Einheit' nach dem Akzo-Urteil"
Am Mittwoch, den 25. November 2009 fand bereits zum dritten Mal der im vergangenen Herbst von Prof. Dr. Christian Kersting LLM. (Yale) und Partnern von neun Düsseldorfer Kanzleien ins Leben gerufene Düsseldorfer Gesprächskreis Kartellrecht statt. Bei dem Gesprächskreis trifft sich circa halbjährlich eine erlesene Runde von im Kartellrecht tätigen Vertretern aus Lehre und Praxis auf Schloss Mickeln, um sich in vertraulichem Rahmen über den Umgang mit aktuellen Entscheidungen oder Entwicklungen auszutauschen.
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Diesmal wurde der Begriff der „wirtschaftlichen Einheit“ nach dem Akzo-Urteil des EuGH vom 10. September 2009 (Az.: C-97/08 P) und die Bedeutung dieses Urteils für das deutsche Recht thematisiert. In dem Fall, der der EuGH-Entscheidung zu Grunde lag, hatten sich Töchter des Unternehmens Akzo Nobel an einer wettbewerbswidrigen Absprache beteiligt. Die Kommission hatte den entsprechenden Bußgeldbescheid wegen Verstoßes gegen das Kartellverbot mit der Begründung auch an die Muttergesellschaft gerichtet, dass Mutter- und Tochterunternehmen im vorliegendem Fall eine wirtschaftliche Einheit im Sinne des Wettbewerbsrechts bildeten und daher als ein Unternehmen im Sinne des Art. 81 EG anzusehen seien. Der EuGH hat diese Auffassung bestätigt und ausgeführt, dass bei einer 100%igen Beteiligung der Mutter an der Tochter die Ausübung von bestimmendem Einfluss auf die Geschäftspolitik der Tochter vermutet werden könne (Rn. 60, Auszüge aus dem EuGH-Urteil finden Sie hier). Für Kartellrechtsverstöße dieser wirtschaftlichen Einheit habe diese als Ganzes nach dem Grundsatz der persönlichen Verantwortlichkeit einzustehen (Rn. 56).
Herr PD Dr. Stefan Thomas Inhaber des Lehrstuhls für Bürgerliches Recht, Handels- und Wirtschaftsrecht, Europarecht und Rechtsvergleichung an der Universität Tübingen, führte die Teilnehmer des Gesprächskreises Kartellrecht zunächst kurz in den Begriff der wirtschaftlichen Einheit ein. Sodann äußerte er Bedenken im Hinblick auf die Verfahrensweise des EuGH, da diese mit wesentlichen Rechtsgrundsätze in Widerspruch stünde (Folien zum Vortrag finden Sie hier). Anschließend stellte Herr Andreas Mundt, Leiter der Abteilung für Grundsatzfragen des Kartellrechts im Bundeskartellamt, die im Zusammenhang mit der deutschen Bußgeldregelung in § 81 Abs. 4 GWB diskutierten Probleme dar.
Herr Professor Dr. Wolfgang Wurmnest, LL.M. (Berkeley), Inhaber des Lehrstuhls für Deutsches und Europäisches Privat- und Wirtschaftsrecht, Internationales Privatrecht sowie Rechtsvergleichung an der Universität Hannover, präsentierte schließlich die sich aus dem EuGH-Urteil für die private Rechtsdurchsetzung ergebenden Folgen und zog in diesem Zusammenhang einen Fall aus England heran, in welchem eine in England ansässige Tochtergesellschaft für den Wettbewerbsverstoß ihrer Mutter mit Sitz in einem anderen Land verklagt wurde, (auch) um vor den englischen Gerichten prozessieren zu können.
Den Schwerpunkt des Abends bildete jedoch die im Anschluss an die Kurzvorträge unter Moderation von Herrn Professor Dr. Christian Kersting, LL.M. (Yale) geführte Diskussion unter den Beteiligten. Während teilweise darauf hingewiesen wurde, dass das Akzo-Urteil nicht zwingend in das deutsche Recht übertragen werden müsse, wurde teilweise versucht, ein Erklärungsmodell für eine Haftung der Muttergesellschaft für Handlungen der Tochtergesellschaft zu finden. Diskutiert wurde, ob man die „wirtschaftliche Einheit“ als eine Art Gesellschaft bürgerlichen Rechts betrachten kann oder die Haftung auf eine Art des Überwachungsverschuldens zurückzuführen ist.
Im Anschluss an die Diskussion nahmen sich viele Teilnehmer noch die Zeit, die Diskussion bei einem Umtrunk und am Buffet in kleinen Gruppen fortzusetzen.