Am 13. September 2023 luden das Düsseldorfer Institut für Energierecht (DIER) und das Institut für Energie- und Regulierungsrecht Berlin (enreg) zu einem gemeinsamen hybriden Forum Energierecht zum Thema „Neue Kompetenzen der Bundesnetzagentur nach der Novelle des EnWG“ in das Haus der Universität in Düsseldorf ein.
Nach einer kurzen Begrüßung durch Prof. Dr. Kreuter-Kirchhof, Direktorin des DIER, entwickelte Prof. Dr. Jochen Mohr, Direktor des enreg, vier Kernthesen zu den neuen Kompetenzen der Bundesnetzagentur. Die neuen Festlegungskompetenzen der Bundesnetzagentur seien nicht zustimmungsbedürftig, da die Novelle keine abweichungsfesten Vorgaben für die Landesregulierungsbehörden mache. Die Abweichungskompetenzen der Bundesnetzagentur von den übergangsweise fortgeltenden Rechtsverordnungen seien verfassungskonform. Da die Abweichungskompetenzen auf dem EnWG beruhen, verstießen sie nicht gegen den Vorrang des Gesetzes und seinen darüber hinaus unionsrechtlich geboten. Prof. Dr. Mohr sieht einen hinreichenden Rechtsschutz der Netzbetreiber auch weiterhin normativ gewährleistet. Maßgeblich seien die verstärkten Begründungs- und Veröffentlichungspflichten der Bundesnetzagentur sowie das Prüfkriterium des Standes der Wissenschaft. Ein etwaiges Weisungsrecht der Bundesnetzagentur müsse im Hinblick auf die technische Normsetzung dogmatisch überdacht und präzisiert werden. Die Rechtsnatur der aktuellen Weisungen sei noch unklar.
Anschließend referierte Frau Tanja Held, Referatsleiterin in der Bundesnetzagentur, aus Sicht der Behörde zu den neuen Aufgaben der Bundesnetzagentur. Sie erläuterte die Hintergründe der EnWG-Novelle und insbesondere das ausschlaggebende EuGH-Urteil zur Unabhängigkeit der Bundesnetzagentur vom 2. September 2021 ein. Sie analysierte die Konzeption des Gesetzgebers und die prozeduralen Ausgestaltungen: Das erhöhte Begründungserfordernis, die Veröffentlichungspflichten und die Möglichkeit, Musterverfahren zu führen. Die Energiewirtschaft und mit ihr die Bundesnetzagentur stünden mit der Dekarbonisierung und der Digitalisierung vor besonderen Herausforderungen. Hierbei betonte Frau Held, dass der Gesetzgeber weiterhin gesetzliche Zielvorgaben festlegen könne, um so Maßstäbe für die weitere Entwicklung zu setzen. Dies werde bereits in dem Ziel einer „gesamtwirtschaftlich optimierten Energieversorgung“ gemäß §1 II EnWG-E deutlich. Künftig müssen insbesondere gefragt werden, ob der bisherige Rechtsrahmen die Regulierungsziele bewältigte oder eine Neuregelung erforderlich sei, ob ein angemessenes Verhältnis zwischen Ziel und regulatorischem Eingriff bestehe und welche Regelung aufgrund der sehr unterschiedlichen Herausforderungen für welche Netzbetreiberkategorie passend sei.
Herr Dr. Wolfgang Urbantschitsch, Vorstandsmitglied der E-Control (österreichische Energie-Regulierungsbehörde), erläuterte sodann den Aufbau und die Aufgaben der Regulierungsbehörde in Österreich und die Umsetzung des EuGH-Urteil zur Unabhängigkeit der Bundesnetzagentur in Österreich. Unabhängigkeit erlange die E-Control auch durch ihre institutionelle Struktur. Von Bedeutung nicht nur für Deutschland seien insbesondere die durch den EuGH gezogene Grenze der mitgliedsstaatlichen Verfahrensautonomie in der Autonomie der Regulierungsbehörde, das Erfordernis der Festlegung von Tarifen und Berechnungsmethoden nach einheitlichen Kriterien innerhalb der EU und die Unabhängigkeit der Regulierungsbehörde gegenüber dem nationalen Gesetzgeber, der der Regulierungsbehörde zugleich keine Befugnisse entziehen dürfe.
Aus Sicht der anwaltlichen Praxis stellte Herr Dr. Thilo Richter, Partner in der Kanzlei Leitfeld Rechtsanwälte, insbesondere die Frage nach einem effektiven Rechtsschutz nach der EnWG-Novelle. Er forderte eine Intensivierung der gerichtlichen Kontrolldichte, normativ bestehende Gestaltungs- und Beurteilungsspielräume respektiert, aber die behördliche Aufgabe einer nach wissenschaftlichen Erkenntnissen bestmöglichen Bestimmung marktanaloger Entgelte ernst nimmt. Eine überschießende Verdachtsregulierung in vermeidbaren oder unvermeidbaren Unsicherheitsräumen dürfte es nicht geben.
An die Vorträge der Referenten und der Referentin schloss sich eine angeregte Diskussion mit den Teilnehmern und Teilnehmerinnen vor Ort und im digitalen Raum an. In dieser Diskussion wurden die Teilnehmenden aus dem virtuellen Raum von Verena Allstadt, Doktorandin am DIER, auf dem Podium vertreten. Die Veranstaltung endete mit einem „get together“ im Foyer des Hauses der Universität, zu dem die Düsseldorfer Vereinigung für Energierecht e.V. einlud. Wir bedanken uns herzlich bei den Referenten und der Referentin für ihre herausragenden Vorträge und bei den Teilnehmern und Teilnehmerinnen für ihre Beiträge zu der anregenden Diskussion.