Am 14.03.2024 fand der dritte Energierechtstag in NRW zur „Energiewirtschaft in der Transformation“ auf dem Campus der HHU in Düsseldorf statt. Diese dritte gemeinsame Jahrestagung der drei Energierechtsinstitute in NRW, dem Düsseldorfer Institut für Energierecht (DIER), dem Kölner Institut für Energiewirtschaftsrecht (EWIR) und dem Bochumer Institut für Berg- und Energierecht (IBE) stieß mit über 230 Teilnehmenden erneut auf sehr große Resonanz.
Prof. Dr. Anja Steinbeck, Rektorin der HHU, begrüßte die große Zahl der Energierechtsexpertinnen und Experten. An die Begrüßung von Prof. Dr. Charlotte Kreuter-Kirchhof (Prodekanin der Juristischen Fakultät der HHU und Direktorin des DIER) eröffnete Prof Dr. Dr. Udo Di Fabio (Bundesverfassungsrichter a.D.) die Tagung mit seinem Vortrag über „Energiewende und Transformation: Vorgaben des Verfassungsrechts“. Nach Prof. Dr. Di Fabio steht das verfassungsrechtliche Klimaschutzgebot, das das Bundesverfassungsgericht in seiner Klimaschutzentscheidung im Jahr 2021 entwickelt hat, in einem Zielkonflikt mit anderen verfassungsrechtlichen Zielen und Schutzpflichten. Der Gesetzgeber habe einen weiten Gestaltungsraum, um dieses Spannungsverhältnis aufzulösen. Die Verfassung gebe keinen konkreten Weg vor, wie das Klimaschutzziel zu erreichen sei. Prof. Dr. Fabio forderte bei der Gestaltung der Transformation zur Treibhausgasneutralität die Akzeptanz der Bevölkerung im Blick zu behalten, so die Grundlagen unserer Demokratie zu stärken, nicht zu schwächen.
Das erste Panel befasste sich mit den Herausforderungen der Wärmewende. Zunächst führte Prof. Dr. Christoph Wieland (Universität Duisburg-Essen, Gas- und Wärme-Institut Essen e.V.) in die technischen Grundlagen der Wärmeversorgung und die damit verbundenen Herausforderungen ein. Zentrale Probleme seien der heterogene Gebäudebestand, die Langlebigkeit der Infrastruktur, die Vielzahl der beteiligten Akteure und in der Konsequenz die hohen Kosten der Wärmewende. Die kommunale Wärmeplanung und ihre Umsetzung stellten eine große Herausforderung dar.
Prof. Dr. Marc Oliver Bettzüge (Universität zu Köln, ewi) entwickelte sodann die ökonomischen Grundlagen und Herausforderungen der Wärmewende. Die Treibhausgasreduktionen in diesem Sektor blieben weit hinter den selbst gesteckten Zielen zurück. Gleichzeitig zeigen Machbarkeitsstudien, dass das Ziel der Treibhausgasneutralität im Wärmesektor mit den verfügbaren Technologien erreicht werden könnte. Die Sanierungsrate müsste erhöht; insbesondere müssten in viel stärkerem Umfang als bisher Heizungen ausgetauscht werden, die mit fossilen Brennstoffen betrieben werden. Um die hohen Investitionskosten für die Wärmewände zu decken, bedürfe es innovativer Finanzierungskonzepte. Neben dem eng gestrickten Zeitplan erschwere der Fachkräftemangel die Umsetzung der Wärmewende.
Prof. Dr. Torsten Körber, LL.M. (Universität zu Köln, Direktor des EWIR) widmete sich im Anschluss dem rechtlichen Rahmen der Wärmewende im Spannungsfeld von Wunsch und Wirklichkeit. Er befasste sich insbesondere mit dem Wärmeplanungsgesetz und dem Gebäudeenergiegesetz. Die Umsetzung der Wärmewende leide an übertriebener Eile und bürokratischen Anforderungen. Die Akzeptanz der Wärmewende in der Bevölkerung sei gefährdet. Die angeregte Diskussion im Anschluss an die Vorträge griff insbesondere Fragen der Umsetzung der Wärmewende auf.
Im Rahmen des sich anschließenden Forums Junge Wissenschaft stellten sechs Doktorandinnen und Doktoranden der drei Institute ihre Promotionsprojekte vor. Dieser Einblick in die Forschungsprojekte der jungen Wissenschaft stieß angesichts der Aktualität der Themen und der Innovationskraft der hier entwickelten Thesen auf sehr großes Interesse.
Das zweite Panel widmete sich der Zukunft der Netze. Der Präsident der Bundesnetzagentur Klaus Müller eröffnete das Panel mit einem Vortrag zur Weiterentwicklung der Netzregulierung. Zu den größten Regulierungsherausforderungen zählen nach Klaus Müller der erhebliche Investitionsbedarf für den Netzausbau und die Digitalisierung der Netze. Die Regulierung müsse flexibler werden, dabei aber gleichzeitig verlässlich bleiben. Diesen Zielen sei der mit dem Eckpunktepapier der Bundesnetzagentur begonnene Prozess zur Weiterentwicklung der Netzregulierung verpflichtet. Der Vorschlag der Bundesnetzagentur, die Regulierungsperiode von fünf auf drei Jahre zu verkürzen, werde gegenwärtig diskutiert. Zur Umsetzung der Entscheidung des EuGH vom September 2021 habe der Gesetzgeber der Bundesnetzagentur neue Aufgaben übertragen, die insbesondere die neu eingerichtete „große Beschlusskammer“ wahrnehmen werde. Künftig werden Rahmen- und Methodenfestlegungen die Energierechtsregulierung maßgeblich bestimmen.
Ulrike Pastohr, LL.M. (Richterin am OLG Düsseldorf) entwickelte sodann die aktuelle Rechtsprechung zur Netzregulierung anhand von vier zentralen Entscheidungen des OLG Düsseldorf: So entschied das Gericht (Beschl. v. 08.11.2023 – VI-3 Kart 32/22), dass die operativen EEG-Kosten als beeinflussbare Kosten anzusehen sind, die Effizienzvorgaben unterliegen. Erhebt der Netzbetreiber einen Baukostenzuschuss für den Anschluss netzgekoppelter Batteriespeicher, verstößt dies nach Auffassung des OLG (Beschl. v. 20.12.2023 – VI-3 Kart 183/23), gegen § 17 Abs. 1 S. 1 EnWG. Der Beschluss der Bundesnetzagentur vom 08.11.2022 zur Festlegung von kalkulatorischen Nutzungsdauern von Erdgasleitungsinfrastrukturen (BK9-22/614, KANU) ist nach der Rechtsprechung des OLG rechtmäßig (Beschl. v. 06.03.2024 – VI-3 Kart 17/23). Schließlich hob das Gericht (Beschl v. 30.8.2023, u.a. VI-3 Kart 544/21) die Festlegung der EK-Zinssätze Strom und Gas für die 4. Regulierungsperiode vom (BK4-21-055 bzw. BK4-21-056) auf, In dieser Entscheidung stellte das OLG Düsseldorf fest, dass der Einfluss des Beirats auf die Entscheidungen der Behörde noch nicht die Anforderungen des Unionsrechts an die Unabhängigkeit der Bundesnetzagentur verletzt.
Nach diesem Einblick in die aktuelle Rechtsprechung des OLG Düsseldorfs entwickelte Prof. Dr. Hartmut Weyer (TU Clausthal, Direktor des IBER) die mit dem Aufbau der Wasserstoffnetze verbundenen praktischen und rechtlichen Herausforderungen. Der Einsatz von Wasserstoff hänge von der bestehenden Infrastruktur ab; der Aufbau und die Nutzung der Infrastruktur setze die Verfügbarkeit von Wasserstoff voraus. Deshalb müssten beim Hochlauf von Wasserstoff alle Elemente parallel und wechselseitig aufeinander abgestimmt entwickelt werden. In Deutschland werde zunächst ein deutschlandweites Kernnetz insbesondere für den überregionalen Transport errichtet. Dann folge die reguläre Netzentwicklungsplanung für die Verteil- und Transportnetze im zwei- und vierjährigen Rhythmus. Noch nicht geklärt sei, wie der Netzaufbau finanziert werden soll.
An diese Überlegungen schloss der Vortrag von Dr. Paula Hahn (BDEW e.V.) zur Transformation der Gasnetze unmittelbar an. Zur Entwicklung der bestehenden Gasnetze zur Treibhausgasneutralität könnten diese auf Biomethan oder auf Wasserstoff umgestellt oder stillgelegt werden. Notwendig sein ein klarer und konsistenter Ordnungsrahmen. Planungs- und Rechtssicherheit seien notwendig. Zugleich müssten die lokalen Gegebenheiten berücksichtigt werden. Volkswirtschaftlich unnötige Kosten seien zu vermeiden und die Netzkosten fair und sozialverträglich zu verteilen. Der Rückbau von Gasleitungen sollte bereits aus Kostengründen vermieden werden.
In der sich anschließenden Diskussion stellte Prof. Dr. Charlotte Kreuter-Kirchhof (HHU, Direktorin DIER) dem Publikum Fragen, die per online Abstimmung im Hörsaal beantwortet werden konnten. Das so gewonnene Stimmungsbild von Wissenschaft und Praxis des Energierechts wurde zur Grundlage der Diskussion des Panels. Einigkeit bestand darin, dass auch in Zukunft wirksamer Rechtsschutz gegenüber den Entscheidungen der Bundesnetzagentur gewährleistet werden muss. Der Weg dorthin wirft gleichwohl noch Fragen auf. Das Publikum gewichtete sodann die Ziele der Energieregulierung. Ein besonders hohes Gewicht kommt hiernach der Versorgungssicherheit zu, gefolgt von der Preisgünstigkeit der Versorgung und der Sicherstellung eines wirksamen und unverfälschten Wettbewerbs. Von deutlich geringerer Bedeutung ist nach Auffassung des Publikums die Flexibilität in der Abbildung der Kostenentwicklung. Der Aufbau von Energiewendekompetenz als eines der im Eckpunktepapier der Bundesnetzagentur genannten Ziele wurde im Vergleich dazu höher eingestuft. Schließlich sollten die Chancen und Risiken beim Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft bewertet werden. Wesentliche Chancen wurden im Klimaschutz, der Eröffnung neuer Geschäftsfelder und der Erhaltung des Industriestandorts Deutschland gesehen. Risiken lägen insbesondere in der Verfügbarkeit von Investitionsmitteln und von Wasserstoff sowie in der Verlässlichkeit des regulatorischen und politischen Umfelds. Die intensive Diskussion und lebhafte Beteiligung des Publikums unterstrichen die Bedeutung und die hohe Aktualität des Panels.
Das Schlusspanel widmete sich sodann den Chancen von nationalen und internationalen Energie- und Klimapartnerschaften. Dr. Friedrich von Schönfeld (BMWK) entwickelte das in den Tagen zuvor von Bundesminister Habeck vorgestellte neue Förderkonzept für die Transformation insbesondere der energieintensiven Industrie. Klimaschutzverträge sichern die Risiken ab, die mit der Umstellung auf eine emissionsfreie Transformation verbunden sind, und begrenzen zugleich die staatliche Förderung. Unternehmen können ein Gebot für den Abschluss eines Klimaschutzvertrages abgeben, wenn sie eine klimafreundliche Anlage errichten und betreiben wollen, die konventionell betrieben mehr als 10 kt CO2-Äquivaltene pro Jahr ausstoßen würde und die mindestens 90 % der C02-Äquivalente einspart. Die Höhe der Förderung hängt von der Entwicklung des CO2-Preises ab; sie wird jedes Jahr berechnet. Liegt der C02-Preis unter dem kalkulierten Preis, erhalte das Unternehmen die Differenz als zusätzliche Förderung; liege er darüber, müsse das Unternehmen diesen Teil der Förderung an den Staat zurückzahlen.
Prof. Dr. Dr. Dr. h.c. Franz Josef Radermacher (Leiter des FAW/n Ulm) entwickelte sodann die Grundlagen und Ziele internationaler Energie- und Klimapartnerschaften. Maßgeblich sei, ob durch internationale Kooperationen das Klimasystem der Erde wirksam geschützt und gleichzeitig ein Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung in Ländern des globalen Südens geleistet werden könne. Diese globale Perspektive des Klimaschutzes müsse künftig stärker beachtet werden. Es sei ökonomisch nicht effizient, Mittel für den Klimaschutz vor allem in Industriestaaten auszugeben. Vielmehr müsse stärker im globalen Süden investiert werden. Besonders kosteneffizient seien Maßnahmen zur Aufforstung sowie zum Schutz der Regenwälder.
Zum Abschluss referierte von Dr. Annegret Groebel (Bundesnetzagentur) über die Rolle internationaler Partnerschaften bei der globalen Energiewende aus der Sicht der Regulierungsbehörden. Ausgangspunkt sei die EU External Energy-Strategy als Teil des REPowerEU-Plans. Ziel sei eine nachhaltige, gerechte und bezahlbare Energiewende. Annegret Groebel berichtete, wie die Regulierungsbehörden einen internationalen Erfahrungsaustausch ermöglichen und Regulierungsstellen in Drittstaaten beraten sowie den Aufbau unabhängiger Regulierungsstellen weltweit durch Projekte und Partnerschaften begleiten.
Anschließend moderierte Prof. Dr. Johann-Christian Pielow (RUB, Direktor IBE) die lebhafte Diskussion. Energie- und Klimapartnerschaften stießen auf teils unsichere Rahmenbedingungen im globalen Süden. Einigkeit bestand darin, dass der Klimawandel in jedem Fall ökonomisch effizient und wirksam zu bekämpfen sei. Die vielfältigen, hoch aktuellen Themen und intensiven Diskussionen beim dritten Energierechtstag in NRW belegten, dass der Austausch von Wissenschaft und Praxis zum Energie- und Klimaschutzrecht auch in diesem Jahr wieder sehr fruchtbar war. Das DIER, das IBE und das EWIR freuen sich, die Gespräche beim 4. Energierechtstag in NRW am 20. März 2025 an der Universität zu Köln fortsetzen zu können.
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